Die neue Bibliothek …
… ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Die Inhalte sind der Bevölkerung angepasst: Es gibt Angebote für unterschiedliche Kulturen und Altersgruppen, Räume, in denen man leise sein muss und andere, in welchen man laut sein kann …
… vereint alle bestehenden Bibliotheken der Stadt St.Gallen …
… liegt an einem zentralen Standort. Man geht nicht in die Bibliothek, wenn sie nicht in das alltägliche Wegenetz eingebunden ist …
… bietet auch andere Sachen zur Ausleihe an: Werkzeug, Fahrräder, Fotoausrüstung und vieles mehr …
… ist eine Dauervorlese-Oase, in welcher permanent Geschichten vorgetragen und erzählt werden …
… weist einen spektakulären Bau auf, der im Stadtraum gut sichtbar ist …
… hat eine grosse Comic-Abteilung …
… ist ein Ort der Generationen, der Begegnung und des Verweilens …
… hat ein schönes Café oder Restaurant, das ein Begegnungsort ist und wo man Bücher und Zeitschriften lesen kann …
(Zitate aus dem Werkstattbericht zur Planung KuBi Kunsthaus und Bibliothek St.Gallen, Mai 2007)
Einleitung
Die Vernehmlassungsvorlage zur künftigen Kantons- und Stadtbibliothek erfüllt zahlreiche Aspekte, die bereits seit rund zwei Jahrzehnten in St.Gallen auf der Wunschliste stehen. Dies zeigt unter anderem der Werkstattbericht zur KuBi-Planung 2007, aus dem die Zitate oben stammen. Konsens war bei jener breit angelegten, partizipativen Planung das Ziel einer «multifunktionalen Publikumsbibliothek mit breiter Ausrichtung». Nämlich: «Sie bietet einen unkomplizierten direkten Zugang zu Informationen in allen gängigen Medien. Sie vermittelt und strukturiert aktiv Informationen und Wissen, Bildung und Kultur, sie bietet Arbeits- und Begegnungsräume an. Zusätzlich etabliert sich die Bibliothek als ein lebendiges Literatur- bzw. Kulturzentrum, das durch Veranstaltungen, Kurse, Schulungen, Lesungen etc. und besondere Räume eine Vielfalt an Begegnungs- und Austauschmöglichkeiten und die Integration von fremden Sprachen und Kulturen ermöglicht und aktiv fördert.» (Zitat aus der Lösungsvariante 18 im KuBi-Prozess)
Die igKultur Ost steht mit Überzeugung hinter dem jetzt vorliegenden Projekt einer zukunftsweisenden Public Library mit neuen Angeboten für die Bevölkerung des gesamten Kantons und über die Kantonsgrenzen hinaus. Sie unterstützt daher die Zusammenführung der Bibliotheken von Kanton und Stadt St.Gallen am neuen Standort Union/Blumenmarkt als Ersatz für den bisherigen Betrieb an vier Standorten.
Bibliotheken sind weit mehr als Institutionen zur Sammlung und Zurverfügungstellung von Büchern. Sie verstehen sich heute zurecht als Stätten der Begegnung und des Austausches für möglichst alle Bevölkerungskreise und als Kristallisationspunkte des lebenslangen Lernens. Diesem Anspruch können Kantons- und Stadtbibliothek St.Gallen in ihrer heutigen Form nicht gerecht werden. Es braucht die neue Public Library.
Was die Finanzen betrifft, ist die igKultur Ost überzeugt: Jede andere Lösung als ein Neubau würde vergleichbare oder sogar höhere Kosten verursachen. Auch in diesem Sinn ist die Public Library am künftigen Standort Union/Blumenmarkt in der St.Galler Innenstadt alternativlos.
Im folgenden nimmt die igKultur Ost zu fünf ausgewählten Aspekten der Vernehmlassungsvorlage detailliert Stellung.
1 Unesco-geprüft: Die Mission der Public Library
«Freiheit, Wohlstand und die Entwicklung der Gesellschaft und des Einzelnen sind menschliche Grundwerte. Sie werden nur erreicht durch die Fähigkeit gut informierter Bürgerinnen und Bürger, ihre demokratischen Rechte auszuüben und aktiv in der Gesellschaft mitzuwirken. Dazu braucht es freien und ungehinderten Zugriff auf Wissen, Gedanken, Kultur und Informationen. Die öffentliche Bibliothek, der lokale Zugang zum Wissen liefert eine Grundvoraussetzung für lebenslanges Lernen, unabhängige Entscheidungsfindung und kulturelle Entwicklung. Die öffentliche Bibliothek ist eine lebendige Kraft für Bildung, Kultur und Information und ein wesentliches Handlungselement für die Förderung von Frieden und geistiger Ausgewogenheit im Denken von Männern und Frauen.»
So steht es im Public Library Manifesto der Unesco 1994. Die igKultur Ost pflichtet dieser umfassend gedachten Mission einer Public Library vorbehaltlos bei. Und damit auch den Grundsätzen, wie sie in Punkt 3.1 der Vernehmlassungsvorlage, «Mission und Vision der Public Library», genannt werden. Hervorgehoben wird darin das Konzept des lebenslangen Lernens. Bibliotheken spielen in der heutigen und künftigen Gesellschaft eine Hauptrolle in der Informationsversorgung von Stadt und Region. Die zeitgemässe Bibliothek bietet einen niederschwelligen Zugang zum Wissen für alle Bevölkerungsschichten und Generationen und stellt ein breites Angebot an Medien sowohl analog als auch digital zur Verfügung. Darüber hinaus sorgt sie mit Veranstaltungen, Treffpunkten, einem gastronomischen Angebot und ausgedehnten Öffnungszeiten für Vernetzung und Kommunikation aller interessierten und möglichst auch der bildungsferneren Kreise.
Für die igKultur Ost ist vor diesem Hintergrund zentral, dass die Bibliothek räumlich und organisatorisch die Voraussetzungen für Begegnungen und Austausch ihrer Benutzerinnen und Benutzer «auf Augenhöhe» schafft. Das Stichwort dazu heisst: gemeinsamer Wissenserwerb. Unsere komplexe Gegenwart und die unübersehbare Fülle an Informationen zwingen uns dazu, kollektiv, vernetzt und kooperativ zu lernen und zu handeln. Medien, ob digital oder analog, sind ein zentraler Wissensspeicher und -träger. Aber genauso zentral sind die Menschen, die dieses Wissen verfügbar machen, teilen und für die Lösung der anspruchsvollen Aufgaben der Zeit fruchtbar machen. An diesem Prozess müssen sich alle Generationen beteiligen. Die künftige Bibliothek von Kanton und Stadt St.Gallen muss sich als ein Ort der Menschen – und nicht nur der Medien – verstehen.
2 Der Standort stimmt
Auch wenn die Standortfrage entschieden ist, hält die igKultur fest: Der künftige Standort am Union ist richtig, insbesondere weil eine Public Library mitten in die Stadt gehört und so zur Pulsgeberin des öffentlichen Diskurses und der zivilgesellschaftlichen Auseinandersetzungen werden kann. Sinnvoll und ressourcenschonend ist die Zusammenführung der bisher verstreuten Ausleih-, Forschungs- und Lagertätigkeiten an einem einzigen Standort. Mit der Zusammenführung von Kantons- und Stadtbibliothek an einem Ort ist nicht nur in Sachen Nutzung viel gewonnen, sondern wird auch die Vorgabe im Bibliotheksgesetz erfüllt, das ausdrücklich festhält, dass Kanton und Stadt die künftige Bibliothek gemeinsam und an einem zentralen Standort betreiben. Dieser Ort kann nach Überzeugung der igKultur Ost nur die Kantonshauptstadt sein.
3 Ein Kulturzentrum für Stadt und Region
Mit Nachdruck unterstützt die igKultur Ost das Ziel, einen niederschwelligen Zugang zu Wissen und Information für alle Bevölkerungskreise zu ermöglichen. Dafür sind mehrere Voraussetzungen zentral.
Zum einen die Öffnungszeiten: Von einer 24/7-Bibliothek nimmt die aktuelle Planung zwar Abstand – aus Sicht der igKultur Ost sollte dabei das letzte Wort aber noch nicht gesprochen sein. Moderne Bibliothekstechnik macht grundsätzlich einen 24-Stunden-Betrieb möglich, wie etwa das Beispiel der neuen Bibliothek im deutschen Biberach zeigt.
Zum zweiten muss ein bezahlbares gastronomisches Angebot zum Standard werden, daneben sind aber auch konsumationsfreie Räumlichkeiten nötig, wie dies die Vernehmlassungsvorlage festhält. In der heutigen Hauptpost-Bibliothek ist schmerzlich die Lücke zu spüren, die die Schliessung des Café St-Gall hinterlässt. Ein bedarfsgerechtes Aufenthalts- und Verpflegungsangebot ist entscheidend.
Zum dritten plädiert die igKultur Ost für attraktive und flexibel nutzbare Veranstaltungsräume in der neuen Bibliothek, die auch Externen zur Verfügung stehen. Die Stadt St.Gallen ist bekanntlich nicht gerade gesegnet mit Räumen für Lesungen, kleinere Konzerte, Podien etc. Hier kann und muss die neue Bibliothek mit ihrem zentralen Standort zum Magneten für Kulturschaffende und Kulturvermittlung werden.
Viertens ist eine ausreichende Zahl an Arbeitsplätzen mit zeitgemässer technischer Ausstattung eine Selbstverständlichkeit – die Bildungsstadt St.Gallen ist ein solches Angebot, wie es die Vernehmlassungsbotschaft auch verspricht, ihren Bewohner:innen und Besucher:innen und insbesondere der jungen Generation schuldig.
Zu diskutieren wäre fünftens, ob eine Ausweitung des Angebots im Sinn einer «Bibliothek der Dinge» sinnvoll und realisierbar ist.
Schliesslich gilt, dass die Gebühr für die Benutzung der Bibliotheksangebote trotz der Angebotserweiterung nicht steigen darf. Im Gegenteil wünscht sich die igKultur Ost eine Diskussion über die Frage, ob die künftige Public Library nicht gebührenfrei zur Verfügung stehen sollte.
4 Kompetenzzentrum für Digitalisierung
Als Gedächtnisinstitution kommt der Kantons- und Stadtbibliothek auf dem Gebiet der Wissensbewahrung und der Memopolitik eine zentrale Stellung zu. Dabei herrscht heute weitherum Einigkeit darüber: Die Bibliothek der Zukunft ist sowohl physisch als auch digital. Die Vernehmlassungsvorlage hebt denn auch zurecht das Miteinander statt Gegeneinander von analogen und digitalen Medien und Vermittlungsangeboten hervor. Dass gedruckte Medien parallel zu digitalen Formaten nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft haben, steht heute ausser Frage. Die steigenden Ausleihzahlen der Kantons- und der Stadtbibliothek St.Gallen bestätigen diese Tatsache.
Die Kantonsbibliothek spielt bereits heute eine dominante Rolle im Bereich der Digitalisierung und ist damit prädestiniert, als «Kompetenzstelle für andere Bibliotheken und Institutionen» zu wirken (Punkt 3.3.3 in der Vorlage). Im Konzept der künftigen Bibliothek ist unbedingt zu beachten, dass für diese existentielle Aufgabe genügend personelle und technische Ressourcen eingeplant werden.
5 Eine Bibliothek für Stadt und Land
Als ein Hauptargument für die neue Publik Library wird angeführt, dass von ihr nicht nur die Stadtbevölkerung, sondern alle Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons (und weiterer Gebiete) profitieren. Die igKultur Ost ist von der Richtigkeit dieses Arguments überzeugt – dennoch werden sich die Debatten in den Parlamenten und in der Bevölkerung voraussichtlich genau um diesen Punkt drehen. Der Ringkanton St.Gallen hat ein topographisch bedingtes Stadt-Land- und Nord-Süd-Problem; zu befürchten ist, dass dies auch die Realisierung der Public Library erschweren wird.
Die igKultur Ost plädiert daher für den frühzeitigen Einbezug der anderen Regionen und insbesondere der südlichen Kantonsteile in die Planung der Bibliothek. Dabei ist unbedingt auf die vielfältigen Leistungen zu verweisen, die die Kantonsbibliothek bereits heute für die diversen Landbibliotheken erbringt: in den Bereichen der Digitalisierung, der Aus- und Weiterbildung etc. Zudem stellt sie der Bevölkerung unabhängig vom Wohnort und von der physischen Präsenz und der Mobilität bereits heute u.a. mit Dibiost ein überwältigendes Angebot an digitalisierten Inhalten zur Verfügung.
Zu prüfen wäre nach Ansicht der igKultur Ost, ob nicht vom gesamten Investitionsvolumen inklusive dem künftigen Betriebsbudget der neuen Public Library ein (zu definierender) Anteil den anderen Bibliotheken im Kanton zugute kommen soll. Dies entspräche dem Geist des Bibliotheksgesetzes, das ausdrücklich als Gesetz für alle Bibliotheken im Kanton ausgestaltet wurde. Und es könnte den vermutlich unvermeidlichen Stadt-Land-Diskussionen etwas Wind aus den Segeln nehmen.
Die igKultur Ost
Die Interessengemeinschaft igKultur Ost setzt sich für die Belange und die Bedürfnisse der Kultur in der Ostschweiz ein. Sie vertritt seit ihrer Gründung im April 2019 mehrere hundert Kulturschaffenden und -institutionen in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden, St. Gallen und Thurgau.
Seit Mai 2022 verfügt die igKultur Ost über eine Geschäftsstelle. Zusammen mit dem ehrenamtlich tätigen Vorstand vernetzt sie sich mit Personen, Institutionen und Verbänden aus Kultur, Wirtschaft und Politik, nimmt Stellung zu kulturpolitischen Themen und bringt sich als Gesprächspartnerin der Behörden in die politischen und kulturellen Prozesse ein. Sie ist offen gegenüber Initiativen, die das Potenzial der Kultur fördern und zur Demokratievielfalt beitragen.
Um im Bedarfsfall rasch reagieren zu können, arbeitet die igKultur Ost mit Ressortverantwortlichen und schlanken Strukturen. Der Verein ist in drei Sektionen (Appenzell Ausserrhoden, Thurgau und St.Gallen) aufgeteilt. Jeder Sektion steht ein Vorstandsmitglied vor. Auf diese Weise werden den unterschiedlichen kantonalen Rahmenbedingungen adäquat Rechnung getragen.