Der St.Galler Stadtrat will dreissig Millionen Franken einsparen, um möglichen Steuerausfällen wegen der Corona-Pandemie entgegenzuwirken. Der St.Galler Stadtrat ist schweizweit die erste Regierung, die mitten in der Bewältigung des Lockdowns harte Spareinschnitte beschliesst. Auf Kosten der Eltern (Tagesbetreuung), des Personals (Stellenreduktion), der Infrastruktur (Strassenunterhalt) sowie auf Kosten der Kultur: Die Sanierung des Kunstmuseums soll um mehrere Jahre aufgeschoben werden, das aktuelle Kulturschaffen erhält weniger Geld.
Sparmassnahmen: Kultur stützen statt wegsparen!
Ist Kultur uns wichtig? Diese Frage stellte sich in den letzten Monaten mit einer Dringlichkeit, wie sie vor einem Jahr nicht für möglich gehalten worden wäre. Sie stellte sich den Künstlerinnen und Künstlern, den Kulturinstitutionen, aber auch den Besucherinnen und Besuchern. Die Covid-19-Pandemie hat den Kulturbetrieb und seine vermeintlichen Selbstverständlichkeiten ausgehebelt.
Viele Veranstaltungen mussten abgesagt oder anders konzipiert werden – Corona-tauglich und deshalb aufwendiger und mit weniger Einnahmen. Besonders schmerzlich zu verkraften waren Absagen von ganzen Produktionen, die es nie zu einer Aufführung geschafft haben. Manche Institutionen, viele Künstlerinnen und Künstler hatten Glück, wurden und werden von Subventionen, Kurzarbeit und Ausfallentschädigungen gestützt. Manche fanden mit digitalen Produktionen zumindest einen Teil ihres Publikums im Netz. Anderen steht das Wasser bis zum Hals.
Kulturschaffende aller Sparten brauchen Öffentlichkeit. Sie brauchen Kulturträger, Bühnen und Plattformen, Hallen und Keller, Museen und Offspaces. Ihre Werke, ihre Stücke, ihre Ideen, ihr Können, all das braucht einen Resonanzraum. Wer Kunst macht, lebt davon, sich der Diskussion zu stellen, sich Kritik auszusetzen, Applaus zu bekommen, gehört und gesehen zu werden. Das Ökosystem der Kultur braucht den offenen Raum der Auseinandersetzung. Und umgekehrt: Eine offene Gesellschaft braucht Kultur zur Selbstverständigung, zur Bildung, zur Aushandlung von Werten und Haltungen. Und nicht zuletzt zur Erheiterung.
Ist Kultur uns wichtig? Auch die Antwort des Publikums lautete: Ja. Die zuerst spärlich, dann im Herbst zahlreich zurückkehrenden Kulturinteressierten zeigten unmissverständlich, dass die Menschen Kultur vermissen und dass sie diese nicht bloss im stillen Kämmerlein konsumieren wollen. Sie brauchen Veranstaltungsorte, sie wollen zusammenkommen, sich anregen lassen, geniessen, debattieren, sich austauschen.
Es wird Kultur auch nach gegenwärtigen Pandemie-Krise geben. Dafür wird es Bühnen brauchen, Konzerte und Ausstellungen, Theater und Kino, Kinderprogramme und Diskussionen, Anlässe aller Art. Setzen wir uns dafür ein, unsere Kulturorte zu erhalten, die materielle Sicherheit von Kunstschaffenden zu verbessern und Kultur für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu erhalten.
Der Rückzug ins Private erhielt und erhält mit der Krise einen zusätzlichen Schub. Eine offene Gesellschaft kann aber auf öffentliche Kultur nicht verzichten.