Kulturpolitik
01.12.20

Sparmassnahmen: Kultur stützen statt wegsparen!

Ist Kultur uns wichtig? Diese Frage stellte sich in den letzten Monaten mit einer Dringlichkeit, wie sie vor einem Jahr nicht für möglich gehalten worden wäre. Sie stellte sich den Künstlerinnen und Künstlern, den Kulturinstitutionen, aber auch den Besucherinnen und Besuchern. Die Covid-19-Pandemie hat den Kulturbetrieb und seine vermeintlichen Selbstverständlichkeiten ausgehebelt.

Der St.Gal­ler Stadt­rat will dreis­sig Mil­li­o­nen Fran­ken ein­spa­ren, um mög­li­chen Steu­er­aus­fäl­len wegen der Co­ro­na-Pan­de­mie ent­ge­gen­zu­wir­ken. Der St.Gal­ler Stadt­rat ist schweiz­weit die erste Re­gie­rung, die mit­ten in der Be­wäl­ti­gung des Lock­downs harte Spar­ein­schnit­te be­schliesst. Auf Kos­ten der El­tern (Ta­ges­be­treu­ung), des Per­so­nals (Stel­len­re­duk­ti­on), der In­fra­s­truk­tur (Stras­sen­un­ter­halt) sowie auf Kos­ten der Kul­tur: Die Sa­nie­rung des Kunst­mu­se­ums soll um meh­re­re Jahre auf­ge­scho­ben wer­den, das ak­tu­el­le Kul­tur­schaf­fen er­hält we­ni­ger Geld.

Viele Ver­an­stal­tun­gen muss­ten ab­ge­sagt oder an­ders kon­zi­piert wer­den – Co­ro­na-taug­lich und des­halb auf­wen­di­ger und mit we­ni­ger Ein­nah­men. Be­son­ders schmerz­lich zu ver­kraf­ten waren Ab­sa­gen von gan­zen Pro­duk­ti­o­nen, die es nie zu einer Auf­füh­rung ge­schafft haben. Man­che In­sti­tu­ti­o­nen, viele Künst­le­rin­nen und Künst­ler hat­ten Glück, wur­den und wer­den von Sub­ven­ti­o­nen, Kurz­a­r­beit und Aus­fall­ent­schä­di­gun­gen ge­stützt. Man­che fan­den mit di­gi­ta­len Pro­duk­ti­o­nen zu­min­dest einen Teil ihres Pu­bli­kums im Netz. An­de­ren steht das Was­ser bis zum Hals.

Kul­tur­schaf­fen­de aller Spar­ten brau­chen Öf­fent­lich­keit. Sie brau­chen Kul­tur­trä­ger, Büh­nen und Platt­for­men, Hal­len und Kel­ler, Mu­se­en und Offspaces. Ihre Werke, ihre Stü­cke, ihre Ideen, ihr Kön­nen, all das braucht einen Re­so­nanz­raum. Wer Kunst macht, lebt davon, sich der Dis­kus­si­on zu stel­len, sich Kri­tik aus­zu­set­zen, Ap­plaus zu be­kom­men, ge­hört und ge­se­hen zu wer­den. Das Öko­sys­tem der Kul­tur braucht den of­fe­nen Raum der Aus­ein­an­der­set­zung. Und um­ge­kehrt: Eine of­fe­ne Ge­sell­schaft braucht Kul­tur zur Selbst­ver­stän­di­gung, zur Bil­dung, zur Aus­hand­lung von Wer­ten und Hal­tun­gen. Und nicht zu­letzt zur Er­hei­te­rung.

Ist Kul­tur uns wich­tig? Auch die Ant­wort des Pu­bli­kums lau­te­te: Ja. Die zu­erst spär­lich, dann im Herbst zahl­reich zu­rück­keh­ren­den Kul­tu­r­in­ter­es­sier­ten zeig­ten un­miss­ver­ständ­lich, dass die Men­schen Kul­tur ver­mis­sen und dass sie diese nicht bloss im stil­len Käm­mer­lein kon­su­mie­ren wol­len. Sie brau­chen Ver­an­stal­tungs­or­te, sie wol­len zu­sam­men­kom­men, sich an­re­gen las­sen, ge­ni­es­sen, de­bat­tie­ren, sich aus­tau­schen.

Es wird Kul­tur auch nach ge­gen­wär­ti­gen Pan­de­mie-Krise geben. Dafür wird es Büh­nen brau­chen, Kon­zer­te und Ausstel­lun­gen, The­a­ter und Kino, Kin­der­pro­gram­me und Dis­kus­si­o­nen, An­läs­se aller Art. Set­zen wir uns dafür ein, un­se­re Kul­tu­r­or­te zu er­hal­ten, die ma­te­ri­el­le Si­cher­heit von Kunst­schaf­fen­den zu ver­bes­sern und Kul­tur für eine brei­te Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich zu er­hal­ten.

Der Rü­ck­zug ins Pri­va­te er­hielt und er­hält mit der Krise einen zu­sätz­li­chen Schub. Eine of­fe­ne Ge­sell­schaft kann aber auf öf­fent­li­che Kul­tur nicht ver­zich­ten.

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